Das Landgericht Essen hat am 30.01.2019 entschieden (Aktenzeichen 12 O 62/18), dass das Aufstellen von Videokameras und Kameraattrappen im Hausflur eines Mehrparteienhauses das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nachbarn verletzt und einen Unterlassungsanspruch begründet.
Worum ging es?
Um die Vorgänge im Hausflur eines Mehrfamilienhauses aufzuzeichnen, montierte einer der Mieter in der zweiten Etage eine Videokamera und eine Kameraattrappe. Die Kamera zeichnete bei Bewegungen den Hausflur auf und speicherte die Aufnahmen für 24 Stunden. Dabei wurde unter anderem ein in der ersten Etage ansässiger Nachbar mehrfach aufgezeichnet. Die so aufgezeichneten Vorgänge sorgten unter anderem für Streit unter den Nachbarn. Auch hat der Mieter seinem Nachbarn gedroht, diesen wegen bestimmter Vorgänge anzuzeigen.
Die Entscheidung des LG Essen
Nach dem Landgericht habe der Nachbar einen Anspruch auf Beseitigung der Videokamera und der Attrappe, auf Löschung der Aufzeichnungen und auf Unterlassen weiterer Aufnahmen aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB.
Zur Begründung
In Bezug auf die angefertigten Ton- und Videoaufnahmen,
spiele der ständige Überwachungsdruck, dem der Nachbar ausgesetzt sei, eine
maßgebliche Rolle. Durch diesen werde die freie Entfaltung seiner
Persönlichkeit gefährdet. Auch sei die angedrohte Anzeige für den Nachbarn
derart belastend, dass dieser in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht so
betroffen ist, dass dieser nicht mehr den Hausflur betreten könne, ohne sich
einer ständigen Überwachung zu versehen.
Zwar hat der aufnehmende Mieter die Kameras nur angebracht, um die Gefahr durch
Einbrüche einzudämmen. Tatsächlich kam es vor zehn Jahren auch zu einem
Einbruch in einer anderen Wohnung des Hauses und 2014 zu häufigeren Einbrüchen
in der Nachbarschaft. Dies genüge aber nicht für die Annahme einer konkreten
Gefahr, also einer Gefahr, die sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in
naher Zukunft realisieren wird. Hier liege allenfalls eine abstrakte Gefahr vor,
also eine solche, bei der ein gewisses Gefahrpotential besteht, aber noch kein
sofortiger Handlungsbedarf gegeben ist. Der Einsatz der Kameras war damit
unzulässig.
Ein Überwachungsdruck bestehe auch durch die Kameraattrappe. Diese sah hier einer echten Kamera täuschend ähnlich. Obwohl der Nachbar wusste, dass es sich nur um eine Attrappe handelte, könne er aber nicht wissen, wenn diese durch eine funktionsfähige Kamera ausgetauscht würde. Eine regelmäßige Überprüfung sei dem Nachbarn nicht zumutbar, womit auch diese unzulässig angebracht war.
Dem Aufnehmenden treffe weiter eine sekundäre Beweislast, dass die Aufnahmen gelöscht seien. Der Hinweis, dass die Aufnahmen nach 24 Stunden selbständig gelöscht würden, reiche dabei nicht aus.
Fazit
Das Urteil des Landgerichts Essen ist an sich nicht überraschend. Es reiht sich in eine restriktive Rechtsprechung, in Bezug auf Videoüberwachungen durch Private, ein. Der durch die Kameras entstehende Überwachungsdruck steht dabei argumentativ immer mit im Fokus. Zwar ist es möglich, bei Annahme einer konkreten Gefahr, eine Überwachung durch Kameras durchzuführen. Dies dürfte aber die Ausnahme sein. Gerade bei der Überwachung im nicht öffentlichen Bereich ist eine Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der aufgenommenen Person regelmäßig gegeben.
Für eine solche anspruchsbegründende Persönlichkeitsrechtsverletzung genügt es im Übrigen, wenn die Benutzung der überwachten Flächen für andere Bewohner gestattet ist. Diese müssen nicht erforderlich sein, um die eigene Wohnung betreten zu können.